Betriebliches Gesundheitsmanagement

Gesundheitsförderung in der Arbeitswelt – Mitarbeiter einbinden, Prozesse gestalten, Erfolge messen.

Titelbild BGM von Uhle und Treier

Ein Nachschlagwerk zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) mit Tipps, Fallbeispielen und Arbeitsmaterialien auf CD-Rom.

Beschreibung

Thorsten Uhle und Michael Treier, beide Psychologen, haben ein praxisnahes Werk zum Thema „Betriebliches Gesundheitsmanagement“ vorgelegt. Ausgangspunkt ihrer Ausführungen ist die Frage, „wie die Regulationskompetenz (des Einzelnen) im Bereich Gesundheit im betrieblichen Kontext aufrechterhalten und gefördert werden kann und welche Rahmenbedingungen diese Aufgabe unterstützen“. Uhle und Treier sehen das Individuum als Träger und Gestalter von Gesundheit in einem gesunden betrieblichen Umfeld ganz im Sinne der WHO-Definition. Mit dieser Definition steigen die Autoren in das Thema ein und erläutern im ersten Kapitel, was aus ihrer Sicht die Eckpfeiler in der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) sind. Der Praktiker erhält hier auch gleich eine Liste typischer Kardinalfehler, an denen die BGF einen Crash erleiden kann.

Weiter gibt es einen Überblick mit einer kommentierten Übersicht zu den rechtlichen Rahmenbedingungen (Arbeitsschutzgesetz, duales Arbeitschutzsystem, Verordnungen, berufsgenossenschaftliche Informationen). In der ansonsten sehr gelungenen Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen werden leider zentrale Elemente des Arbeitsschutzgesetzes und die das Arbeitssicherheitsgesetz konkretisierende Vorschrift DGUV Vorschrift 2 im Text nicht erwähnt. Letztere ist von zentraler Bedeutung für die Rolle und die auszuführenden Aufgaben von Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit. Nur am Rande wird in der Übersicht zum Arbeitssicherheitsgesetz auf die Akteure Betriebsarzt und Fachkraft für Arbeitssicherheit sowie auf den Arbeitsschutzausschuss (ASA) hingewiesen. Die Autoren führen auf Seite 50 aus, dass die Akteure bei den vielsagenden Deklarationen, Gesetzen, Richtlinien und Handlungsleitfäden Schwierigkeiten bei der Interpretation haben. Genau deshalb kollabiere das Rechtssystem, so ihr Fazit nach einer Befragung von Praktikern. Die Autoren unterschlagen die Tatsache, dass der Gesetzgeber bewusst (Bürokratieabbau war das Motto) im Arbeitsschutzgesetz und deren Verordnungen nur allgemeine Schutzziele gesetzt hat, die von den Akteuren auf Basis der arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse und konkretisierender BG-Regeln und sonstiger Normen betriebsspezifisch zu erreichen sind. Und da spielen die Akteure Betriebsarzt und Fachkraft eine wichtige Rolle. Ihre Aufgabe ist es nämlich den Arbeitgeber und Betriebsrat hinsichtlich der Umsetzung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu beraten. Dafür werden sie vom Arbeitgeber bestellt und bezahlt. Die seit 1.1.2011 geltende DGUV V2 konkretisiert die Aufgaben der beiden Akteure auf der Höhe der Zeit (psychische Fehlbelastungen, demografischer Wandel). Die Unternehmen bzw. die betrieblichen Sozialpartner sind aufgefordert den Aufgabenkatalog den betrieblichen Anforderungen entsprechend zu ermitteln und Leistungspakete für die Grundbetreuung (Gefährdungsbeurteilung) und betriebsspezifische Themen nach einer Checkliste zu ermitteln. Es ist nicht nachvollziehbar, dass diese wichtige Vorschrift hier fehlt, weil sie in Fachkreisen und Fachzeitschriften schon in 2010 kommuniziert worden ist, also weit vor Erscheinen dieses Werkes.

Weiterhin fällt die unvollständige Darstellung des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) ins Auge. So wird auf Seite 51 gesagt, dass das ArbSchG der grundlegende Pfeiler der BGF sei, erwähnt werden aber folgende zentrale Elemente nicht wie der Begriff „menschengerechte Gestaltung der Arbeit“ (§ 2), das der Arbeitgeber den Arbeitsschutz in die betrieblichen Führungsstrukturen einzubinden hat (§ 3), das der Arbeitsschutz (mit der Gefährdungsbeurteilung) als kontinuierlicher Verbesserungsprozess anzusehen ist (§ 3), die Beschäftigten zu beteiligen (§§ 15 -17) und zu unterweisen sind (§ 12).

Die kritische Anmerkung erfolgt hier deshalb, weil in der betrieblichen Praxis zu beobachten ist, dass auf einen schlecht umgesetzten Arbeitsschutz (Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen fehlt und die Maßnahmenumsetzung lässt zu wünschen übrig) vom Management oftmals ein BGM-System aufgesetzt wird mit einer neuen Struktur wie einer AG Gesundheit, und zwar parallel zur bestehenden Organisation „ASA“. Der ASA beschäftigt sich dann mit dem technischen Arbeitsschutz und die neue Struktur immer öfter mit den beliebten Themen der individuellen Gesundheitsförderung wie gemeinsames Laufen oder Stressbewältigung. Letzteres ist auch nicht das Verständnis von BGF der beiden Autoren, aber Ausführungen zur Struktur eines BGM und zur Rolle der Akteure wären hilfreich gewesen, um den Kardinalfehler „doppelter und dreifacher Strukturen“ zu vermeiden.

Kapitel 2 beschäftigt mit „Risiken bestimmen und Ressourcen fördern“. Dem Kapitel vorangestellt ist - wie in allen anderen Kapiteln - eine Übersicht der Leitfragen, die dort behandelt werden z.B.was ist der Unterschied zwischen Belastung und Beanspruchung oder welche Kategorien von Fehlbelastungen und Ressourcen es gibt. Die Komplexität wird dem Leser in einer verständlichen Sprache vermittelt, das macht dieses Werk für Praktiker zu einem hilfreichen Arbeitsbuch, denn man findet die relevanten Begriffe schnell wieder. Die Übersichtlichkeit und verständliche Darstellung der doch komplexen Thematik ist gelungen, da ist auch ein Mehrfachlob nicht zu viel. In Kapitel 3 geht es um die konkreten Umsetzungsmöglichkeiten von Präventionsmaßnahmen. Nach der Klärung der Begriffe Verhaltens- und Verhältnisprävention wird der Werkzeugkasten ausgebreitet (von der Psyche bis zur Ernährung). Beispiele für Maßnahmen befinden sich auch auf der beigefügten CD-Rom. Einen von der Seitenzahl her großen Umfang nimmt das Kapitel 4 „Controlling und Bedeutung von Kennzahlen“ im betrieblichen Gesundheitsmanagement ein. Die klassische Kennzahl „Fehlzeitenquote“ wird kritisch diskutiert. Kapitel 5 beschäftigt sich mit den Themen Demografiemanagement und Stressmanagement.
Die Publikation wird abgerundet durch eine Infobox/Checklisten, ein verständliches Glossar und eine Liste kommentierter und relevanter Internetquellen. Arbeitsmaterialien sind auf einer beiliegenden CD-Rom. Die Literaturhinweise im Text sind so kommentiert, dass ich als Leser beispielsweise die so wichtige berufsgenossenschaftliche Information (BGI) 650 auch im Internet finden kann. Die knapp 45 Euro sind gut angelegt.
Axel Herbst

Autor

Thorsten Uhle, Michael Treier

Verlag

Springer

Version

2011

Preis

44,95 Euro

ISBN

978-3-540-95933-5